Beiträge von cw_mg4

    Hi zusammen,


    das hier habe ich bei Heise in einem Kommentar gefunden und fand es sehr interessant, da ich selbst Hard- und Software entwickelt habe, allerdings nicht in solch einer komplexen Umgebung. Zum Vergleich, der MG4 hat angeblich 50 Steuergeräte. Nur damit man sich mal eine Vorstellung machen kann, wie komplex das Thema wirklich ist und welchen Vorteil z.B. Tesla hatte, alles auf der grünen Wiese aufbauen zu können.


    Cariad: VW-Tochter stellt eigene Software-Entwicklung weitgehend ein


    Ich habe mich selbst aus anderen Gründen mit dem Thema E/E (also Elektrik & Elektronik) befasst, und dadurch den ein oder anderen Hintergrund erfahren - auch in Zusammenarbeit mit dem VW Konzern. (Die nachfolgenden Informationen sind im Übrigen frei zugänglich)


    Die Crux fing historisch an mit dem Einsatz von Steuergeräten. Was im VW Bus mit der Bosch K-Jetronic 1968 als Analogrechner für das Motormanagement begann, zog sich dann sukzessive durch die Abteilungen. Der VW Golf3 hatte "nur" 3 Steuergeräte, der Golf4 schon 45.


    Die IMHO absurdeste Komplexität kam im VW Phaeton zum Einsatz: 3 verschiedene Bus Systeme, 1 optischer Bus, verschiedene Sub Bus Systeme, 61 Steuergeräte, über 250 CAN Bus Messages, 2.500 unterschiedliche Signale, 3.8km Kabel in 2110 Zuschnitten.

    Will heissen: jede EE-Funktion/-Abteilung entwickelt ihr eigenes ECU Ensemble, bietet ein oder mehrere APIs, aber interessiert sich nicht für den Rest - und die TCU ist im Wesentlichen nur noch Bitpipe.


    Ein paar haben versucht, sich über die Zeit zu etablieren. Die frühere Nokia in Bochum wurde zur VW Infotainment, kam aber - übertrieben gesprochen - nicht über ein besseres Autoradio hinaus, sondern hat eher noch zur Komplexität beigetragen.


    Dann kam "JayJay". Johann Jungwirth. Begnadeter Denker, Visionär, mit einem 30+ Mann Team direkt unterm Vorstand. Super Ideen - ich hatte ab und an mit ihm einen interessanten Brainstorming-Austausch. Aber letztendlich: no grip in die Orga. Praktisch Null Weisungsbefugnis, Konzernstrukturen umzubauen. Heute ist er woanders, ich glaube (und wünsche es ihm) dort, wo man ihn endlich umsetzen läßt, was im VW Konzern nicht ging.


    Dann kam CARIAD. Die waren die "Bodybuilder". Statt 30 nun das hundertfache. Und mit Unterstützung des Vorstands, Teil der breiteren "NEW AUTO"-Strategie. CARIAD arbeitete an einer einheitlichen Softwareplattform, die für alle Fahrzeugmarken des Konzerns gelten soll. Diese Plattform umfasste verschiedene Technologien, einschließlich einer zentralen Cloud-Anbindung, End-to-End-Elektronikarchitekturen und neuen Mobilitätsdiensten. Die Einführung der neuen E³ 1.2-Architektur, die eine Harmonisierung von Hardware und Software ermöglicht, war hier zentrales Projekt.


    Und dann aber mit einem Problem: eine eigene legal entity. Die Experten, die seit Jahren und Jahrzehnten in den EE-Abteilungen arbeiteten, mussten nun per verordnetem Betriebsübergang in die legal entity CARIAD all ihre Konzern-Annehmlichkeiten hinter sich lassen, oder den Laden verlassen. Begrenzte Jobgarantie etc. - man kann sich leicht vorstellen, daß die meisten da sich nach hinten gelehnt haben und auf die "Bodybuilder" gewartet haben, die nun mit neuen Strategien alles besser machen würden. Oder sie haben nun vergeblich versucht, all die einzelnen "Verticals", die ganzen Sonderlocken der ECU / Zulieferer / Bus Systeme / Protokolle / ... irgendwie zu einem deutlich verbesserten Ensemble zusammenzubringen.


    Was aber die nicht hinbekommen haben, waren standardisierte Schnittstellen und Reduzierung der ECU Komplexität. Welche Fachabteilung will oder kann auf seine Experten verzichten, um statt Dutzenden von ECUs nur noch ein Dutzend Steuergeräte für alle Funktionen zu verwenden, statt sie selber zu entwickeln? (es ähnelt hier im Übrigen an den chinesischen OEM Dschungel: jeder will Automobilhersteller sein und die anderen übertrumpfen oder zum Lizensieren zu bringen - aber das ist eine andere Story).


    Was dann nämlich dahinter steht ist ein fast undurchschaubarer Dschungel an Zulieferern, deren Nachunternehmern, Nach-Nach-...Unternehmern etc. - schon bei den 61 ECUs im Phaeton kann man sich ausrechnen, daß da jeder seine eigene Welt mitbringt, neue Features ausschreibt, neue Komponenten integriert etc. - am Ende des Tages ist das SW-Paket, das in jeden Wagen im Werk eingespielt werden muss, jeden Produktionstag eine neue Permutation - und davon mal ganz abgesehen, daß dann auch noch die meisten ECUs nicht OTA-bespielt werden können, sondern nur über OBD2 bedatet werden können...


    Es gab also nur eine Möglichkeit - den radikalen Cut. Rivian hat eine ganz andere Architektur. Modernes zonal E/E + zentrale Hochleistungs-Compute-Domänen (zB ADAS/Infotainment/BMS), und damit einhergehend eine drastische Reduktion von ECUs und Kabelbaum durch wenige Zonal-ECUs, lokal angeschlossene Sensoren/Aktoren und High-Speed-Backbone (Automotive Ethernet, 100 Base T1). Damit ist das Joint Venture (JV) noch am ehesten der Dealmaker - wenn man den Radikal-Cut machen möchte. (Und eigentlich muss). Ich hab schon im letzten Jahr in einem Rivian in Kalifornien gesessen und gefahren - es fühlt sich an wie aus einem Guss.


    Jetzt kommen aber wesentliche Probleme ins Spiel:

    Rivian hat darauf abgestimmt seine eigenen Zulieferer, der VW Konzern aber ganz andere. Hier prallen 2 Welten aufeinander: Innovation trifft auf Legacy. Was kann man nun realisieren? Machen wir ein paar Annahmen.


    Annahme 1 könnte also sein: "Port & Run" – Rivian-SW (oder JV-SW) läuft nativ auf SSP-HW. Aber: eine Portierung zu anderen SoCs der Zulieferer ist aufwändig. (Und vielleicht wollen die das auch nicht - wer will schon sein Asset (SW-Entwicklung eigener Komponenten) durch eine Bitpipe, und damit quasi reduced Preis & Marge, ersetzt sehen wollen? )

    Noch eine Challenge: Safety/Cyber Anforderungen der VW-Plattform müssen erfüllt werden. Und ein Thema für die Anwälte: Lizenz-/IP-Konditionen müssen Portierung erlauben.


    Annahme 2: Man baut einen Dual-Stack, also Rivian neben SSP, und baut das mit Gateway/Adapter – beide Plattformen koexistieren, verbindende Schicht übersetzt Dienste. Also: Rivian-Zonal-ECUs / Rivian-Compute bleiben in ihren Domänen; SSP-Domänen nutzen ihre Dienste; eine standardisierte Gateway-Ebene (physisch oder virtuell) übersetzt Nachrichten, synchronisiert Zustände und regelt Authority-Handover. Hmmh. Da kommen nämlich einige Nachteile/Technik-Risiken: Latenz (wird kritisch für Safety-Funktionen/ADAS). Oder Konflikt der „Actuator Authority“: wer darf den Aktuator auslösen? Und Fingerpointing Komplexe Fehler-Propagation & Diagnostik (welches System hat den Fehler verursacht?).


    Bliebe noch Annahme 3: Standardisierung – das VW Rivian JV definiert gemeinsame Middleware & Data model. Das ist aber langfristig (und IMHO wird dann daraus binnen kürzester Zeit wieder ein Legacy System, sprich zu unflexibel).


    IMHO könnte Option2 die beste sein, erst mal, und dann letztendlich die Zulieferer dazu bringen, die Rivian-Schnittstellen bei sich einzubauen. Das dauert aber, mal von der Willingness ganz abgesehen. Und es gibt existierende Langfrist-Zulieferer-Verträge, die zwar Kündigungsklauseln drin haben, aber dann wirds a) teuer, und b) hat man nicht automatisch einen Nachfolger.


    Aus meiner Sicht gäbe es daher plausibel nur einen Weg, der uns/mir eigentlich nicht gefällt: die Rivian-Architektur wird samt deren Zulieferer aus den USA nach DE gebracht. Also entweder bauen die existierenden "EU-Zulieferer" sich ruck-zuck um auf "US-JV-Standards", oder werden schlichtweg durch US-Unternehmen ersetzt, die sich freuen werden, den Markt hierzulande zu erobern. Auf Kosten von Arbeitsplätzen, versteht sich.


    Oder es gibt einen zweiten, getrieben durch Don Trump: es wird in den USA produziert, ggf. nach DE verschifft, als Komponenten, und hier nur noch endmontiert. Zoll-Strategie "sei Dank"...


    Klar - die, die nicht bei Rivian bzw. im JV arbeiten, reiben sich jetzt hämisch die Hände. Aber das löst das Problem nicht. Man muss schon nach vorn laufen. Ein Ansatz wie damals bei Carl F. Borgward - "wir haben was, reicht doch, müssen nicht in die Zukunft investieren" - wird nicht mehr gut genug sein, dank Globalisierung und Investment chinesischer Automobilmarken auch in europ. Produktionsstätten.

    Das kann bei rein "analogen" Autos prima funzen.

    Aber wenn der Summerstrom über diverse ECUs nach Masse fließt (die normalerweise mit 12V versorgt werden), würde ich nicht drauf wetten, daß das keinerlei seltsamen Folgen hat.

    Und falls man bei der Headlamp keine 12V abgreift, sondern eine höhere LED-Speisespannung, gibts womöglich eine zusätzliche Fehlerlotterie ?(

    Würde ich jetzt mal widersprechen wollen. Die Headlamps werden mit 12 V versorgt, sind ja direkt am Sicherungskasten. Was danach passiert ist egal. Bei eingeschalteter Zündung herrscht zwischen Zündungsplus und Headlamp kein Potentialunterschied. Bei ausgeschaltetem Wagen gehe ich stark davon aus, dass Zündungsplus auf Masse gezogen wird von einem der vielen klackenden Relais.

    Stimmt, aber es ist Serienfertigung, d.h. Von FIN bis FIN ist das Produkt zu 100 % identisch. So kann es sein, das unterschiedlich Updates für die jeweiligen FIN Bereiche vorgehalten werden müssen. im Ergebnis sollten aber alle Fahrzeuge, bis zum Modelljahrwechsel, den gleichen Softwarestand haben können.

    Um auf meinen Lux zurück zu kommen. Bei der ersten Inspektion war das Fahrzeug innerhalb von vier Wochen dreimal in der Werkstatt, ingesamt gut 12 Arbeitstage und das nur weil angeblich für meinen Lux, die notwendigen Updates um die Mängel zu beheben, nicht freigegeben waren. Das alles obwohl ich dem Agenten und MG gut drei Wochen vor dem Termin eine umfangreiche Mängelliste zugesandt hatte. Komischer Weise waren beim zweiten Termin Updates freigegeben, die beim ersten Termin noch gesperrt waren und beim dritten Termin gab es weitere Freigaben. Logisch nachvollziehbar ist das alles nicht.

    da haben wir dann die Software / Hardware Problematik gepaart mit Unlust und Unfähigkeit. Was mir viel mehr Sorgen bereitet, was ist in ein paar Jahren, wenn man eines der 50 Steuergeräte benötigt und es nicht mehr lieferbar ist? Vom Schrott holen wird ja wahrscheinlich nicht möglich sein, aufgrund der vielen Abhängigkeiten. Bin froh, wenn es die Selbstfahrenden Autos gibt und ich immer mir auf Abruf kommen lasse was ich gerade brauche. Transporter, Stadtauto oder Cabriolet.

    Und wenn wir schon bei der MG-Pilot Taste sind :D
    Sehr sehr sehr verwirrt mich dass er dieses Lenkassistent/SpurhalteAssistent selbständig aus (okay) aber wieder einschaltet.
    Wenn ich also den Tempomat reintue kann es sein dass er dann eine Weile lenkt und wieder aufhört und wieder lenkt und wieder aufhört. Diese Lenkhilfen sind dann echt sehr störend und führen nicht zu einem "Erfolg". Vorallem wenn man dann eigentclih nur den Tempomaten haben will und nicht auch noch "reingreif"-assi

    das heißt, dein Lenkrad im Display ändert die Farbe von Grün auf Grau hin und her? Hat meiner noch nie gemacht. Einmal aktiviert bleibt es drin bis er mich entweder den Abhang heruntergestürzt hat, weil er keine scharfen Kurven lenkt oder ich das Lenkrad zu lange losgelassen habe. Dann hört er einfach auf zu lenken und ich lande spätestens dann in der Schlucht.

    Ich gehe mal davon aus, dass nicht nur die Software unterschiedlich ist, sondern auch die Hardware. Sonst wäre es natürlich möglich, immer alle Kisten OTA auf dem gleichen Stand zu halten. Keine Steuereinheit wird über Jahre exakt gleich gebaut, da gibt es Verbesserungen, Anpassungen, vielleicht sogar andere Chips, weil die alten nicht mehr verfügbar sind oder es eben billiger ist bei einem anderen Hersteller. Und diese Kombination macht individuelle Updatepläne nötig.


    Ich habe keine Erfahrung mit anderen Herstellern, weiß nur von Bekannten, dass bei VW z.B. nach kurzer Zeit schon Schluss ist mit Updates und Verbesserungen, man muss dann einfach mit den Fehlern leben.

    Soweit ich das weiß, darf der Händler nur bei konkreten Beanstandungen und in Rücksprache mit MG Updates einzelner Komponenten vornehmen. Also ein "mach mal alles aktuell" wird es so überhaupt nie geben. Ich als IT-ler kann das durchaus nachvollziehen. Bei 50 Steuergeräten und der Fähigkeiten heutiger Werkstätten wäre das für MG eine einzige Dauerschleife an gebrickten MG Fahrzeugen. Das ist alles hoch komplex.